Mal ein Reply auf Dich, turino: Deine Beiträge sind umfangreich und so geschrieben, dass auch Einsteiger damit was anfangen können. Das ist wirklich fantastisch, was Du Dir für eine Arbeit machst.
Zu den Objektivempfehlungen Richtung Nikon kann ich nichts beitragen außer meinen Praxiserfahrungen in Richtung Sigma EX 105/2.8 Makro. Ich setze es seit vielen Jahren an der Pentax ein - habe es noch zu Analogzeiten für damals richtig viel Geld gekauft. Es macht eine sagenhaft gute Figur auch an der digitalen und nutzt die hohen Auflösungen der modernen Sensoren gut aus. Insofern eine klare Kaufempfehlung.
Doch sollte man nicht verschweigen, dass die 105mm durch den Verlängerungsfaktor am Crop-Sensor ein ganz schönes Rohr ergibt. 157mm umgerechnet auf Kleinbild ist schon weit drin im Telebereich. Das bedeutet, dass die Einsatzmöglichkeiten dieser Linse heute klar eingeschränkt sind. Als Portraitlinse braucht man 5-10 Meter Abstand vom Objekt, was im Studio oft nicht zu erzielen ist und die Kommunikation mit dem Model erschwert. Für Städtereisen ist es in Richtung Aufnahme einer Szene, wie z.B. eines Gebäudes zu lang, für die Aufnahme eines Details oft zu kurz. Ich nehme es ob seines hohen Gewichts und seiner eingeschränkten Verwendbarkeit heutzutage selten mit, obwohl seine optischen Qualitäten außer Frage stehen.
Zum Thema Stativ: Grundsätzlich lässt sich die Physik nicht überlisten. Ein stabiles Stativ hat Gewicht. Je mehr, je stabiler. Dies hat dann natürlich auch Auswirkungen auf den Preis. Je "professioneller, umso schwerer, umso teurer" kann man als Faustformel schon sagen. Die Steifigkeit der Streben und der Verwindungen lässt sich nur so erzielen. Das hat einerseits damit zu tun, dass professionelle Bodys und Linsen auch sehr schwer sind, die Hebelkräfte, die insbesondere bei langen Brennweiten auf das Konstrukt wirken nicht unbeträchtlich sind und nur so gewährleistet ist, dass das Konstrukt nicht im Wind schwingt oder gar umkippt, weil der Schwerpunkt zu hoch liegt. Das Beispiel Manfrotto hast Du schon genannt. Ich ergänze noch Berlebach (Holzstative, sehr hochwertig, teuer und schwer).
Das schlechteste Stativ ist nun hingegen das, dass man gar nicht dabei hat, weil sein Gewicht und seine Ausmaße hinderlich sind. Ich besitze auch seit vielen Jahren ein Manfrotto und habe es ob seines großen Gewichts und seiner sperrigen Ausmaße praktisch nie dabei.
Eine Alternative wäre ein Einbeinstativ von Manfrotto, dass einen guten Kompromiss leistet und in manchen Situationen, wo man nicht mehr aus der Hand shooten kann (dazu noch ein paar Grundlagen später) einige Lichtwerte gewinnen kann. Diese kosten um 100 EUR und lassen sich so klein zusammen legen, dass sie in eine (große) Fototasche passen. Als Ergänzung finde ich so etwas praktisch:
http://www.khalia.de/Mini-Stativ-multifu…les-Tischstativ
Das kostet nicht viel, wiegt praktisch nix und kann einen bei Experimenten unterstützen, weil Brückengeländer o.ä. auch mal zur Befestigung herhalten können. Wenn man eine Mauer hat, kann an diese bei Nachtaufnahmen auch zum Ablegen der Kamera nutzen und ausrichten.
Zu Deiner Aussage, dass Profis fast ausschließlich mit Stativ fotografieren, kann ich leider nur sagen, dass das meine Erfahrung nicht bestätigt. Es gibt Bereiche, wo ein Stativ nützlich ist, in anderen Fällen kommt es praktisch nicht zum Einsatz:
People und Street: Man ist viel zu eingeschränkt hinsichtlich der Aufnahmeposition und die Reaktionszeiten sind zu lang. Im Studio verwackelt nichts, da die Leuchtdauer der Blitzanlage kurz genug ist. Bei Still-Life und Produktfotografie im Studio kommt gerne ein Stativ zum Einsatz, weil die Szene sehr sorgfältig aufgebaut ausgeleuchtet ist und man die Kamera bspw. mit Hilfe einer Wasserwaage im Stativkopf sorgfältig ausgerichtet hat. Bei der Event und Konzertfotografie ist es so, dass man auch sehr schnell auf die sich bietenden Motive reagieren muss, so dass langwieriges Ausrichten der Kamera auf einem Stativ sich auch verbietet.
Bei der Sportfotografie (insbesondere Fußball als akkreditierter Fotograf hinter dem Tor) haben wir zwei Extreme: Erstens kommt man nur mit den richtig dicken Telelinsen weiter (die auch hoch lichtstark sind); also ist man verdammt verwacklungsanfällig (wegen der hohen Brennweite) und hat trotzdem die Notwendigkeit, die Kamera schnell zu schwenken. Hier kommen oft die oben angesprochenen Einbeinstative zum Einsatz. Mit etwas Übung und "Mut zum Ausschuss" (hohe Serienbildfrequenz der Profibodys) kommen da auch ganz gute Bilder raus.
Jetzt noch (natürlich nicht für Dich aber vielleicht für BM interessant) ein paar Grundlagen: Die Menge Licht, die durch das Objektiv auf die Filmebene (oder den Sensor fällt) hängt bei gleichbleibenden Lichtverhältnissen von drei Faktoren ab:
1. Blendenstufe
2. Belichtungszeit
3. "Film"-Empfindlichkeit.
Jeweils eine Stufe bei einem dieser drei Parameter verändert, führt zu einer Verdopplung/Halbierung der Lichtmenge auch genannt 1 LW. Praktischerweise gilt das für alle drei Parameter gleichermaßen:
Ein Schließen der Blende um eine Stufe also bspw. von Blende 4 auf Blende 5.6 halbiert die Menge des Lichts, das auf den Sensor fällt (-1LW). Öffne ich die Blende um eine Stufe (=Blende 2.8 ) lasse ich die doppelte Menge Licht einfallen (+1LW)...
http://de.wikipedia.org/wiki/Blendenreihe_(Optik)
Das gleiche gilt für (2) und (3). Habe ich also ein korrekt belichtetes Bild bei einer 1/125 Sekunde, führt eine Verdopplung der Belichtungszeit (=1/60s) dazu, dass die doppelte Menge Licht einfällt (+1LW). Eine Halbierung der Zeit (=1/250s) führt zur Halbierung des Lichts.
Nehmen wir an, der Belichtungsmesser ermittelte die Zeit/Blendenkombination 1/125s; Blende 4 bei ISO 200 (=Empfindlichkeit des Films), so führt eine Verdopplung bzw. Halbierung dieses ISO-Werts ebenfalls zu einer Vordopplung/Halbierung der Lichtmenge.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese drei Parameter interoperabel sind, d.h. in gleicher Weise auf die Lichtmenge Einfluss haben.
Frage an Radio Eriwan: Ist also 1/125s; Blende 4 bei ISO 200 das gleiche wie 1/60s; Blende 5.6 bei ISO 200?
Antwort: Im Prinzip ja. In Bezug zur Lichtmenge die auf den Sensor trifft ist es in der Tat das gleiche. In Bezug auf den Bildeindruck aber nicht. Mit jedem dieser 3 Parameter steuert man unterschiedliche Bildeindrücke:
1. Blendenstufe steuert die Schärfentiefe. Das meint den Bereich, wo das Bild scharf oder unscharf wird. Dies ganz bewusst zu setzen, hilft bildwichtige Informationen (bspw. eine Person) rauszuarbeiten, wärend bildunwichtige in Unschärfe verschwimmen (Hintergrund). Damit bewusst umzugehen ist die Königsdisziplin der Fotografie. Zur Vertiefung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4rfentiefe
2. Belichtungszeit ist wichtig für die "Verwacklungssicherheit". Als Fausregel sagt man, dass man maximal die Umkehrung der Zeit als Brennweite noch aus der Hand fotografieren kann. Bspw. 1/125 = 120mm-Objektiv. 1/60 Sekunde führt in der Regel zum Verwackeln. Bei 1/250 kann man relativ sicher sein. Hier bringt dann auch ein Stativ keine Verbesserung. Einen Exkurs zu Bildstabilisatoren schenke ich mir jetzt. Diese erhöhen den Spielraum dessen, was man verwacklungsfrei halten kann ein wenig. Wenn man ein Stativ verwendet, sollte der Bildstabilisator übrigens ausgeschaltet sein, weil er kontraproduktiv wirken kann.
Über die Verwacklungssicherheit hinaus, kann man die Belichtungszeit zur Bildgestaltung nutzen: eine möglichst kurze Zeit "friert eine Szene ein". Bei einem Springbrunnen werden die einzelnen Wassertröpfchen einzeln und scharf sichtbar. Bei einer langen Belichtungszeit hat man eine fließende Masse, da die einzelnen Wassertröpfchen in der Zeit, in der der die Blende geöffnet ist, schon einen gewissen Weg zurück gelegt hat. Die Tröpfchen "fließen ineinander". Gleiches gilt bspw. beim Motorsport. Sogenannte "Mitzieher" eines fahrenden Autos wirken besonders effektvoll, wenn der Hintergrund in Bewegungsunschärfe verschwimmt. Hierzu sollte die Belichtungszeit nicht zu kurz sein (sonst wird die Szene trotz Mitziehen eingefroren).
3. "Film"-Empfindlichkeit. Dies ist der langweiligste der drei Parameter. Früher (zu Analogzeiten) war bei ISO 800 Schluss. Es gab zwar noch s/w-Filme mit ISO 1000 aber beide fielen durch sehr starkes Filmkorn und sehr harte Kontraste auf. Üblich waren ISO100-200. Heute bieten moderne Kameras nutzbare ISO-Werte bis ca. 1600 darüber hinaus nimmt das Rauschen so stark zu, dass eingebaute Rauschunterdrückungsalgorithmen sehr kräftig zu Werke gehen - zuungunsten feiner Bilddetails. Grobkörnige Bilder, wie sie früher durch den Einsatz hochempfindlicher Filme zum Einsatz kamen, werden heute nicht mehr als Stilmittel akzeptiert. Sie werden als "Rauschen" und somit als fotografischer Fehler wahrgenommen. Insofern kann man mit dem ISO-Wert auch nicht mehr wirklich bildbestalterisch wirken. Selbst moderne Kameras zeigen ihre besten Bildergebnisse bei dem jeweils niedrigsten ISO-Wert, der angeboten wird (entweder ISO100 oder ISO200).
Man kann die o.g. Werte natürlich allesamt (Programmautomatik) oder einzeln (Zeit-, Blenden- oder ISO-Automatik) der Kamera überlassen, oder diese manuell einstellen. Es manuell zu machen, bedeutet, sich die o.g. Zusammenhänge bewusst zu machen und so den Schritt vom knipsen zum Bildgestalten zu machen. Das heißt nicht, dass man das jetzt immer und nur so machen muss/sollte. Es gibt Situationen für alles. Den Schnappschuss auf der Familienfeier muss man sicher nicht so überambitioniert angehen. Und überhaupt: Erlaubt ist was Spaß macht - wäre ja auch noch schöner ;-)
Vielleicht kann der eine oder andere etwas mit meinem Senf anfangen. Rückfragen/Ergänzungen jederzeit gerne.
Gruß
yobo